Nigel Hall

Chinese Whispers

29.1.2010 - 31.3.2010

 

Nigel Hall zählt zu den prominenten Vertretern der britischen Skulptur. Er beschäftigt sich in seinem Schaffen mit Gegensätzen und lotet ihre gegenseitige Verquickung aus. Sein dialektisches Spiel mit Differenzen resultiert in paradoxen skulpturalen Konfigurationen, die die Wirkung von „schwereloser Masse“ und „dynamischer Stille“ hervorrufen. Sein formales Repertoire reduziert er zunehmend, so dass seine Objekte von eindrucksvoller Klarheit und Reinheit leben. Entsprechend ist sein Werk von Stille und Essentialität – „Stilling and Distilling“ – geprägt.

 

In seinen Skulpturen und Kohlezeichnungen thematisiert der Künstler die Relation zwischen Form und Leere, Fläche und projiziertem Raum, Bewegung und Stillstand, Ausdehnung und Kontraktion, sowie Licht und Schatten. In umfangreichen Serien erforscht er seine Motive, die oft von den geometrischen Grundformen Kreis, Ellipse und Kegel geprägt sind. Mit dem Titel Chinese Whispers, der das Kinderspiel „Flüsterpost“ bezeichnet, verweist Nigel Hall auf das wesentliche Moment der Transformation einer Idee, ähnlich dem Gesellschaftsspiel, in dem eine geflüstert weitergegebene Nachricht sich mit der Zeit subtil verändert. Es könnte sich aber auch um die graduellen Veränderungen in seinen eigenen Arbeiten handeln, welche sich schliesslich in wesentlichen Verschiebungen äussern.

 

In seinen jüngsten Skulpturen aus der Serie Chinese Whispers setzt Nigel Hall komplementäre Formen in ein dynamisches Wechselspiel. Zwei geschwungene Volumen, die formal an Blätter erinnern, werden in gegenläufiger Ausrichtung aneinandergekoppelt. Nigel Hall variiert die Volumina der korrelierenden Sphären und konfrontiert so dunklere, geschlossenere mit offeneren, lichteren Innenräumen. Der Künstler variiert überdies die gegenseitige Durchdringung der Volumina.

 

Zuweilen nehmen seine Skulpturen eine ausbalancierte, elliptische Grundform an. Den mehrheitlich asymmetrischen Objekten liegt die Drehrichtung der S-förmigen Trennungslinie als gestalterisches Element zugrunde. Zum Beispiel setzt Hall bei der linksdrehenden Achse von Chinese Whispers VII das Hauptvolumen auf der rechten Seite an. Je nach Sichtweise scheint die Skulptur so nach links – in Richtung der bauchförmigen S-Kurve – oder aber nach rechts – in Richtung des sich ausweitenden „Blattes“ – zu rotieren.

 

Nigel Hall entwickelte die Grundform für seine Chinese Whispers-Skulpturen in Auseinandersetzung mit dem mathematischen Zeichen für Unendlichkeit, das der horizontal gekippten Zahl „8“ ähnelt. In seinen jüngsten Zeichnungen setzt er sich ebenfalls mit kurvenförmigen Linien auseinander und erforscht, wie Formen ineinander übergehen oder ineinander enthalten sind. Seine Zeichnungen versteht er übrigens nicht als Vorstudien zu seinen Skulpturen, sondern als einen eigenständigen Teil seines Werks, der jedoch einen engen Bezug zu seinem skulpturalen Schaffen hat.

 

Der Künstler arbeitet vornehmlich allein in seinem grossen Atelier und lässt während des Arbeitsprozesses seine Ideen sukzessive Form annehmen. Eigenhändig erstellt er die perfekt ausgeführten Skulpturen aus Birkenholz und lässt sie zuweilen in Bronze giessen. Seit Jahren pflegt er Landschaftseindrücke in knappen Skizzen einzufangen, was sich sowohl auf seine Zeichnungen wie auf seine Skulpturen durchschlägt.

 

Nigel Hall hat am Royal College of Art in London studiert und doziert. Zu seiner Retrospektive im Yorkshire Sculpture Park in Wakefield im Jahre 2008 hat die Royal Academy in London eine umfassende Monographie publiziert: Andrew Lambirth, Nigel Hall: Sculpture and Works on Paper. Nigel Halls Werke befinden sich in zahlreichen öffentlichen Sammlungen, unter anderen im Museum of Modern Art in New York, in der Tate Gallery in London, in der Nationalgalerie in Berlin, der Australischen Nationalgalerie in Canberra und im Kunsthaus Zürich.

 

Ruth Littman

 

Biografie

Presse text Chinese Whispers (pdf)