Caetano de Almeida

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25.08.2017 - 28.10.2017

 

 

 

 

Die Farbe ist ungewöhnlich – leuchtendes Fuchsiarot – und doch erkennt man in den Mustern der kleinformatigen Acrylbilder sofort jene Rohrgeflechte, wie sie für die Sitze von Kaffeehausstühlen typisch sind. Die charakteristischen Muster lassen beim Betrachten eine Welt aus Behaglichkeit und Eleganz erstehen, aus Kaffeegenuss, Plauderei und Zeitungslektüre. Doch etwas irritiert, und es ist nicht nur die grelle Farbigkeit. In den gemalten Geflechten finden sich Verschiebungen, Deformierungen, sogar Risse, Löcher, enorme Kahlstellen.

 

Caetano de Almeida befasst sich in seinem Werk mit Strukturen und Mustern. Ob komplexe Rohrgeflechte, duftige Wäschestreifen oder farbenfrohe Webmuster: der brasilianische Künstler ist ein Meister darin, mehrschichtige Gefüge in Malerei zu übersetzen. Die Leinwand ist sein Webstuhl, auf dem er mit Pinsel und Acrylfarbe vielschichtige Muster entstehen lässt, in denen sich technische Präzision mit intensiver Farbigkeit verbindet. Die Liebe des Künstlers zur Mathematik spricht aus diesen Werken ebenso wie eine grosse Leidenschaft für die Welt der Kleider und Moden aber auch ein Interesse an gesellschaftlichen Fragen.

 

Caetano de Almeida zählt zu den international bekanntesten brasilianischen Künstlern. 1964 in São Paulo geboren, wächst er in Campinas auf, einer Stadt etwa 100 km nördlich von São Paulo, die dem jungen Kulturhungrigen kaum Nahrung bietet. Er vertieft sich in Lexika und Bücher und begeistert sich für mathematische Probleme und intelligente Rätsel und Paradoxien, für die Konstruktion von Räumen und Spiegelungen. Zu den prägenden Leseerfahrungen de Almeidas gehört Edwin A. Abbotts Novelle „Flatland“ aus dem Jahr 1884, die sowohl mathematischer Essay als auch Satire auf die Viktorianische Gesellschaft ist. Die Faszination für mathematische Konstruktionen ist wie ein roter Faden in das Werk des Künstlers eingewoben. Er male, sagt Caetano de Almeida, wie ein Mathematiker, der versuche eine besonders elegante Gleichung zu formulieren.

 

Neben der exakten Wissenschaft der Mathematik ist es die flirrende Welt der Mode, die starken Einfluss auf das Werk Caetano de Almeidas hat. Bereits als Knabe faszinieren ihn die farbenfrohen Trachten seiner Heimat Brasilien. Studienaufenthalte führen den jungen Künstler nach Paris und nach Indien. An der Seine taucht er in die Welt der Mode mit ihren zahlreichen raffinierten Codes ein. Auf dem indischen Subkontinent lernt er Kleider kennen, die ihn mit ihrer Farbigkeit betören und die zugleich als Wegweiser im sozialen Leben dienen. Die streng geordnete indische Gesellschaft kennt bis heute Muster und Stoffe, die bestimmten Kasten vorbehalten sind. Das Kleid als Chiffre ist etwas, das Caetano de Almeida interessiert. „Kleider“, so sagt er, „umgeben uns wie Filter unserer Körper, sie reflektieren die Kultur in der wir leben und unseren Geist.“

 

Caetano de Almeida, der 2005 sein Studium an der Universität von São Paulo mit einem Master of Fine Arts abgeschlossen hat, ist heute in grossen Galerien und Kunsthäusern in den USA und in Europa präsent. Seine werke sind anspruchsvoll aber auch sehr ansprechend, vereinen Lust an der Farbe mit technischer Virtuosität. Caetano de Almeida arbeitet freihändig. Lediglich Bleistiftzeichnungen gehen den gemalten Webfäden und Flechtstrukturen voraus. Im Malakt selbst verwendet der Künstler keine Hilfsmittel, ausser grosser Sorgfalt, Geduld und absoluter Hingabe an seine Malerei.

 

In den gemalten Geweben wird schliesslich auch eine intensive Auseinandersetzung mit Kunst- und Kulturgeschichte lesbar. So spricht de Almeidas Beschäftigung mit exakten Strukturen, rhythmischen Wiederholungen und farbigen Rastern von einer Verwandtschaft mit dem Konstruktivismus. Allerdings verhält sich der brasilianische Maler wie ein aufmüpfiger Spross einer ehrwürdigen Sippe, reisst er doch in seine sorgsam „gewebten“ Mustern immer wieder klaffende Löcher. Diese bewusst inszenierten Lücken haben eine Doppelfunktion: Sie betonen die Perfektion des gemalten Musters und sie bieten sich als Ausgangspunkt an, um über die Tragfähigkeit gesellschaftlicher Strukturen nachzudenken.

 

Alice Henkes

 

Biografie

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